Ja, ich muss mal kurz etwas abkotzen. Vor einem guten halben Jahr zog sie mitsamt ihrem noch sehr kurzen Lütte ein. Die frisch getrennt oder geschiedenen neue Nachbarin. Wir haben sie begrüsst, und ja, von da an freundlich Distanz gehalten. Einmal habe ich Sie kurz gefragt, ob sie uns hört, oder ob unser Verhalten so mehr oder weniger okay sei? Die Vormieter seien halt nicht so amused gewesen, weil ihr Lütte unter unserer Küche geschlafen hatte. Sie bat uns etwas verlegen, abends die Geschirrwaschmaschine nicht zu starten, denn um 7 muss ihr Lütte ins Bett, und dann würde die Maschine so gurgeln. Aber dann sei ja auch ruhig und so, alles Bestens. Ich versprach, etwas auf die Zeiten zu achten. Umgekehrt bin ich ja bezüglich Lärm und Krach ja eigentlich Berlin-geprüft, es dauert bei mir immer etwas, bis mich etwas zu stören beginnt.
Gestern also, stand sie, wie im billigsten MILF-Porno vor mir, sie hat sicherheitshalber unten geläutet. Und dann stand sie da auf 3/4 Höhe, ein seitliches Fragezeichen, mit zur Schnute gezogenem Schmollmund, kaugummikauend. Ihr zu tiefer Ausschnitt, der entrüstet fibrierte, die billige Dauerwelle, der kurze Mini, die grauen Crogs, das Gesamtpaket Erotik für den Haus- und Hofgebrauch, mit dem knalligen roten Ausverkauf-Lippenstift von Rossmann oder dm. Ob wir wohl endlich (hier der genervte Augenaufschlag) Filzunterlagen an unsere Stühle tun würden, der Lütte hört unsere Stühle, und „immer um 19:00 Uhr geht das los in der Küche!!!“ Ich: „Wir sind dann endlich zu Hause und kochen…!“ „HAH, jaaaaaaaa, aber das hört man so guuut!“ dazu geht sie zwei Tritte die Treppe runter, sie rechnet wohl mit einem Angriff. Dabei immer diese genervte Mimik, die eigentlich bei jedem der bereits über 15 ist, lächerlich wirkt. „Es sei nicht böse gemeint, einfach nur eine Bitte!“ wiederholt sie mehrfach, ich sehe wohl ärgerlich aus, am Ostersamstag beim Frühstück unterbrochen zu werden, wegen meinen Stühlen, die auf dem Küchenboden quitschen.
Ich verspreche, vermutlich kochend und zischend wie eine überhitzte Dampflok, dass ich meinen Stühlen Filzpantöffelchen zulegen werde, „ist halt ein bisschen doof, jetzt kann ich nicht mehr einkaufen gehen bis Dienstag, die Läden sind zu, das ist hoffentlich klar?“ meinerseits konnte ich mir nicht verkneifen. Sie meint, das sei in Ordnung, kein Ding, kein Problem, dankedankedanke, nicht bös gemeintetceteraetcetera. Ich denke meinerseits an all die durchwachten Nächte, bei denen wir als Paar gemeinsam die vorgetäuschten nachbarlichen Orgasmen mitgelitten und mitkommentiert hatten. Ihre Tanzorgien, wenn Lütte bei Papi ist, und ihre Dates vorbeikommen. Aber ich hielt den Mund, denn ich bin ja höflich.
Heute hört sie ziemlich laut Musik. Ich bin mir nun nicht sicher, ob das Musik ist oder eine Nähmaschine. Auf alle Fälle nervt es, und ich weiss jetzt wirklich nicht, ob ich meinerseits augenrollend vor fremden Haustüren rumstreunen soll.