April 17 2024

Das untote Excel-Sheet oder das Symptom einer unzfriedenen Crew

Ich gestehe, bislang war mir eine Excel-Tabelle eher gleichgültig. Ich versuche, wenn möglich, Excel zu vermeiden, aufgrund der Komplexität, und weil (das letzte mal, als ich mir überlegte, es zu nutzen) die Schrift kacke aussah. Und das immerewige Windwos. Ich höre Klagen und Jammern, wie schwierig es ist, und denke mir, dass ich schlimmstenfalls einen Taschenrechner habe. Das ist oldschool, aber für meine Verhältnisse genügend.

Nun, meine Firma nutzt, als Übergabeprotokoll, ein Excel-Sheet. Dieses Excel-Sheet ist online, ich muss es im Browser bedienen. Und, ja, wir sind die Bude, die hin und wieder, um Prozesse zu beschleunigen, den Firewall ausschalten – diese Protokolle im Browser, das hasse ich schon mal, weil ich zu den Menschen gehöre, die Fenster immer schliessen. (damit gehöre ich auch zu den meistgehassten der Kollegen – geiles Feeling!) Es ist eine Tabelle, wir haben zwischen 20 und 30 Bewohner, und diese Bewohner werden von 3 Schichten betreut. Zudem gibt es pro Bewohner noch eine zusätzliche Zeile für „Besonderes“. Sie ist also etwa 25 x 4 Zeilen lang, und 2 Zeilen breit; Name, Zimmernummer und Foto ist in der linken Hälfte des Bildschirms, die zweite Hälfte hat noch einen Kasten eingefügt, wo nacht/früh/spät eingetragen steht, damit wir auch wissen, welche Schicht den Text zum Kind geschrieben hat.

Abgesehen davon, dass es etwas unübersichtlich ist, die Suche nach dem Kind, weil man nicht nach Name suchen kann…es schafft ungeahnte Möglichkeiten, so eine Excel-Tabelle. Ich verurteile das jetzt gerade nicht. 🙂 Aber es kommt immer wieder vor, das einzelne Mini-Tabellen (die man als Nutzer so ja nicht erkennen kann) vermutlich von verärgerten Nachtwachen (die !Wachen! müssen) etwas verspielt werden. So vergeht die Müdigkeit und der Ärger im Flug, und die anderen Schichten haben viel zu lachen, bis aus dem griechischen Alphabet, den Sonderzeichen, dem Nichts und den überraschenden Zahlen wieder ein lesbarer Fliesstext wird. Das lustigste daran ist, das man diese Einstellungen an verschiedenen Orten ändern kann. Und wenn sich die Frühschicht geärgert hat, und erschöpft nach soviel Excel nach Hause geht, kann die Spätschicht, deren Feld bislang noch nicht genutzt wurde, nochmals von vorne beginnen, ohne Support von der Frühschicht, denn die ist ja bereits geflüchtet.

Wir haben eine Haus-IT, sogar eine Abteilung, aber der eine fühlt sich für solche Banalitäten nie zuständig. Der hat Dinge wie Chip-Schlüssel formatieren und Dienst-Laptops einrichten im Kopf, und ist unglaublich gestresst, während der andere sehr adrett aussieht, aalglatt ist und eine Karriere als Lustknabe oder Ehemann in Betracht zieht, eine valide Karrieremöglichkeit, schliesslich sind wir ja im sozialen Bereich tätig. Der spricht nicht mit dem arbeitenden Pöbel. Vermutlich leidet seine Schönheit, wenn er mit unseren Sorgen konfrontiert ist…und das kann ich ja auch nicht verantworten.

Januar 24 2024

Leerfahrt

Heute ist der erste Tag des richtig langen GdL-Streiks im Jahre 2024. Ich bin sehr happy, dass ich mit dem Bus zur Arbeit muss, denn die fahren glücklicherweise. Mein frühmorgendlicher (und allabendlicher) Stresstest dabei ist nur das einsteigen. Die kleinen Könige über ihr Reich sind nämlich, ihr ahnt es sicher, die Busfahrer. Ich vermute mal, vorgesehen ist, der Busfahrer hält an der Endhaltestelle, ändert sein Zielort auf den neuen Zielort, wobei der Wechsel nur über „Leerfahrt“ erreicht werden kann. Dann sieht er sich den Bus an, schmeisst Abfall weg und sammelt Vergessenes ein. Dann lässt er neue Gäste (zahlend!!!) Hinein seinen Bus. Im Normalfall stagniert das bei der Stufe „Leerfahrt“ und dann rufen sie Partner*in an, oder Schulkinder. Heute, das will ich euch nicht ersparen, haben wir einen neuen Gipfel des Busabsolutismus erfahren. Bei uns draussen, oder Pöbel, oder „dem Volke“, wie man möchte, pfeift es relativ warme Windböen von gut 110 km/h. Der heutige König ist ein Pedant. Sein Leben ist der Fahrplan. Das ermöglicht ihm, während Streiks zu fahren. Oder auch, die Türen bei Sturm geschlossen zu halten, während er langsam kreisende Bewegungen mit den Hüfen macht, und dieselben langsam einknickt. Dehnübungen im Eingangsbereich des Busses. Wir stehen windzerzaust draußen und segen zu. Die Hose sitzt auch nicht richtig, er muss dran zupfen. Der Effekt ist klein. Er sieht uns an. Kreist noch etwas. Dann streckt er sich, steigt ein und beginnt zu telefonieren.

März 27 2023

Die Geschichte des Kreislaufs von Haschisch oder einfach nur: Entsetzen!

Ich schwöre, alles wahr! Mensch kann sich das gar nicht ausdenken. Dafür reicht meine Phantasie nicht aus. Ich muss anonymsieren, um meinem Arbeitsvertrag gerecht zu werden. Daher werde ich die Jugendlichen mit A, B, C etcetera in der Reihenfolge ihres Auftretens bezeichnen, um den Interessierten das Lesen zu erleichtern.
A durfte über das Wochenende bei seinen Pflegeeltern sein. Das machte mich froh und glücklich, denn A hat keinen guten Einfluss auf andere Jugendliche, hier B, C, und D. Meine Fachmeinung zu A ist: ich halte A für extremst idiotisch. A hält sich selbst für einen supa gefährlichen Gangsta. Mein Chef hält A für ein Pubertier. In As Abwesenheit schrie sein Wecker um Aufmerksamkeit. Ich war mit meinem neuen Kollegen auf dem Gang und dachte, um die Nerven der anderen Jugendlichen zu schonen, schalte ich den Wecker aus, auch wenn A noch bei seinen Eltern ist. Mir ist die Privatsphäre der Kiddies heilig, und ich hatte einen Kollegen dabei, der schlimmstenfalls bezeugen kann, dass ich bloss den Wecker ausgeschaltet hab. Ich öffnete die Tür. A hatte innerhalb seines Zimmers die Tür zum Klo offengelassen, so dass man die zugekackte Schüssel, die kaputte Wartungskachel der Dusche mitsamt der ungeschickt versteckten Packung getrockneter Kräuter in der Dusche sehen konnte. Ich schaltete den Wecker aus und fotografierte die defekte Dusche. Mein Kollege hat gespült, eine heroische Tat, für die ich äusserst dankbar bin, und zu der ich in dem im Moment nicht fähig war. Mein Chef hat dann die Fotos gesehen, und hat eine „Ansage“ geplant, auch in Anwesenheit des alten Herrn von A. A hat mehrere eher teure Hobbies, und ist sich ein Lebensstandart gewohnt, der ein Jugendamt nun einfach nicht bieten kann. Ausserdem ist er ja auch ein „Gangsta“, und damit schon sehr gefährlich, nicht zu vergessen. Es deutete alles auf Verkauf von Cannabis hin. Nur – es roch eindeutig nach Oregano. Nebst den Exkrementen in der Schüssel, die auch schon mehrere Tag vor sich hinmüffelten, war die Oreganonote eindeutig. Auch fanden wir Haare, die als mögliche Zutat für die mögliche morphologische Strukturen von den nachzubildenden halluzinogenen Naturprodukten hinwiesen. Es war unglaubliche widerlich.

A trifft mit Vater und Oma ein. Der Vater schämt sich, Oma putzt weg. A verschwindet zwischenzeitlich.

Meine Theorie war, dass er aus der (gewässerten) Scheisse, Oregano und Haaren „potentes“ Gras knetet und verkauft. Mein Chef war unnachgiebig: An welchen Deppen er dann verkaufen will? Kleine Kinder, die auch mal Zigaretten kaufen wollen? Neinnein, kann nicht sein. So blöd ist niemand. Mein anderer Kollege, der unsere Kiddies schon länger kennt, meint, dass so ne Qualitätsprüfung üblicherweise auf der Strasse nicht stattfindet. Und ja, kann schon sein, dass er genau das tut. An dieser Stelle tritt B und und E auf. E wird gerade bedroht, B will unbedingt mit E „an die frische Luft“. Das heisst in diesem Fall: Sie wollen sich irgendwelche legalen oder illegalen Drogen kaufen. B ist Cannabiskunde, gerne, viel, ja. E hat zuviel Schiss und steht unter Druck. B rennt raus, trifft den Dealer. Ich kann nichts tun, und kanns auch nicht ändern. 

Dass A der Dealer ist, sehe ich erst, als A mit B zusammen eintrifft. A strahlt zufrieden, B grinst in sich hinein. Die doofen Betreuer ausgetrickst, wieder mal.

Warum meine Theorie stimmt? Das Scheisscannabis (die Wortwahl drängte sich mir auf, Verzeihung) hat nicht gewirkt.

Februar 19 2023

Dada ad absurdum oder Logiken, die ermöglichen, dass Energien sich sträuben

Naja, so schlimm war es nicht. Kennst Du das? Du erfährst gerade was „bahnbrechend“ Neues, eine Erkenntnis, die youtube oder sonst so ein Kanal extra für Dich aus dem Netz gerülpst hat, zu Deinem Besten wurde es nochmals durch einen Teenager gespült, der Dir die Zusammenhänge sorgfältig erklärt, weil ich bin mit meinen fünfzig Jahren ja auch kurz vor der Demenz, und damit froh, wenn mir geholfen wird, beim Zusammenhänge verstehen. Meine Teenies, mit denen ich mich zu Arbeitszeiten umgebe, sind teilweise sogenannte „Schulverweigerer“. Das heisst nicht gezwungenermassen, dass sie dumm sein müssen. Die klügeren Exemplare beginnen sich zuhause zu langweilen. Sie beginnen zu surfen. Und damit sind sie gefundenes Fressen für die gruslige Welt von Verschwörungstheoretikern, die dann auch noch dazu tendieren, rechtsextrem zu sein. Gespräche mit solchen Inhalten beginnen immer gleich:  „Es könnte doch sein, dass….“. Mein Antwort ist immer etwas enttäuschend…“Nein, das kann nicht sein.“ Oder „Gibt es nicht Energien, die….“ – „Nee, es gibt nur eine Energie. Das ist eine Zahl, eine Einheit, die gemessen wird in Kalorie oder Joule. Es wird eine Kalorie oder 4 Joule benötigt, um einen Liter Wasser um einen Grad Celsius zu erwärmen.“ Wenn ich diese verschwörungstheoretischen Grundlagen für viel Angst und zukünftiger Glaube an flache Erden abgeschmettert habe, kommt dann noch die Logik dran…Solche Sätze beginnen dann oft mit: „Es ist nicht logisch, dass…“ oder „Es gibt verschiedene Logiken, die…“ Meine fade, unglamouröse Antwort ist dann: Logik ist ein Teilgebiet der Wissenschaft, und genau umrissen. Du kannst nicht irgendwelche diffuse Logiken benutzen.“ Heute war die Frage, ob mein Physiker und Göttergatte schon Forschungen oder Entdeckungen gemacht hatte, die irgendwie versteckt oder verboten wurden. Meine Antwort hat den Peak der Langeweile erreicht, in dem ich ihr sagte, dass die Forschung durch die öffentliche Hand bezahlt wird, und dadurch der Öffentlichkeit gehört. Dementsprechend kann man das alles lesen, wenn man das auch möchte.

Dennoch hat unser pseudowissenschaftlicher Diskurs heute einen neuen Tiefpunkt erreicht. Sie fragte mich, was ich für ein Sternzeichen bin. Meine Antwort wurde nicht gross beantwortet. Was mich dann neugierig machte, schliesslich ist die obligate Antwort zu Sternzeichen immer, ob man selbst irgendwie mit dieser Person harmonieren kann oder nicht.  Ich hakte nach. Sie druckste rum, es gäbe so eine Weiterentwicklung des Horoskops, das angepasst sei, an die richtige Zeit. Ich war neugierig, da sie ein Foto in dem Handy hatte. Es war eine schwarze Sonne, in die Tierkreiszeichen eingemalt waren. Ich brummelte ein „Hmmm, interessant, und was ist das denn so? Kennst Du dieses Symbol?“ Sie sah mich verblüfft an, und meinte, nein, bis vor kurzem kannte ich das nicht. Was das denn sei? „Nazikackscheiss, und ich möchte sowas hier eigentlich nicht haben. Finde ich aber interessant, das die Nazis die schwarze Sonne so versuchen zu legitimieren.“ Sie war schockiert, und googelte. Wurde auch fündig. Es wurde dann eine kurze Geschichtsstunde zu schwarzer Sonne, Wewelsburg, Nazikackgrössen und ihre Rolle im Krieg. Sie schmiss das Horoskop weg, so hoffe ich wenigstens.

 

Februar 8 2023

Etwas Fluffiges #1, Zugfahren in Schleswig-Holstein

Wenn man sich in Städten in Schleswig-Holstein aufhält, fällt einem (als Zugfahrer)visuell nichts besonderes auf. Kiel und Flensburg haben nichts, von dem man sagen würde, wenn man aus dem Zug steigt – wOOOOOOOOW! guck Dir DAS an. Aber, Kiel und Flensburg klingen anders als Berlin oder Hamburg. Sie haben Schiffe, die sehr tief tuten, und sie haben Möwen, die Schreien, und sie haben Krähen. Man könnte jetzt behaupten, dass es in Hamburg sicher auch Schiffe hat, die sehr tief tuten. Ja, stimmt, aber die höre ich nicht im Hauptbahnhof oder in Altona. Kiel und Flensburg klingen nach Kiel oder Flensburg. Das ist mir bis jetzt noch nie bei einer Stadt aufgefallen, und ich muss noch rausfinden, was es nach Kiel oder Flensburg klingen macht. Es gibt tatsächlich auch noch eine Gewichtung, die „Kiel“ oder „Flensburg“ ausmacht. Ob man das über das Gehör oder über andere Sinne wahrnimmt, weiss ich auch noch nicht genau, versuche ich aber noch rauszubekommen. Jetzt habe ich mich etwas verloren…tut mir leid.

Wie auch immer, wenn man in den Zug steigt, in Kiel, da gibt es sogar Werbung auf dem Gleis 6a, da fährt man unweigerlich an die Ostsee, und die Ostseebäder machen auf dem Gleis, und nicht etwa auf der Wand daneben, Werbung. Das fand ich bemerkenswert. Kiel weiss, wie man Touristenströme erfolgreich umleiten kann…gut, ich steige also in den Zug nach Eckernförde. Nicht, weil ich das will und weil ich Tourist bin, sondern weil, ihr ahnt es sicher, irgendetwas umgebaut wird, oder zusammengebrochen, weil eingerissen. Reisen mit der Deutschen Bahn. Vielleicht ist auch eine Brücke hinüber. Man will es gar nicht so genau wissen. Und wenn ich nach Husum (Westküste) fahren will, mache ich doch gerne einen Umweg über Eckernförde (Ostküste, aber immerhin doch schon ungefähr selber Breitengrad wie Husum).

Wir fahren los, mit der Regionalbahn. Kiels Norden ist hässlich. Tut mir leid, das zu schreiben, aber mir kommt sonst nichts passendes in den Sinn, ich lasse mich jedoch gerne vom Gegenteil überzeugen. Die Kiel-XY-Haltestellen haben keinen erkennbaren Dorf-/Viertel-/Kiezkern, sondern sind einfach nur unverschleiert ärmlich. Oder, wie die Trashautorin und Ex-Kollegin vermutlich schreiben würde, wurde grobmotorisch industrialisiert. Irgendwann kommt der Nord-Ostseekanal. Es folgt für das erschöpfte, geschundene Auge ein liebliches, sehr ländliches Dorf, wo unser Zug jedoch nicht hält, und dann folgt ein weiteres Dorf, wo der Zug dann doch noch stehenbleibt. Es steigen wenig Leute ein, und einige aus. Wir fahren weiter, und es folgt dann irgendwann Eckernförde. Da muss ich auf den Bus, weil wegen meiner Umleitung. Mich überrascht Eckernförde, es wirkt auf mich wie ein schottisches Fischerdorf – die strohgedecketen Bauernhäuser mussten zugunsten steinverkrusteten, trutzigen Fassaden, die dem Meer trotzen, ojah, das tun sie! weichen. Ich räume ein, dass es geregnet hat, aus allen Löchern, und es vermutlich auch ich Eckernförde strohgedeckte Häuser hat. Dennoch war das eine sehr starke Aura, wenn man das so schreiben kann, die ich wahrgenommen habe, während ich in den wartenden Ersatzbus gerannt bin.

Der längste Abschnitt meiner Zugreise ist bezeichnenderweise mit dem Ersatzbus, über die sanften Hügel der Gegend um die Ostsee.

Wir erreichen rechtzeitig den Anschlusszug in Schleswig. Krass, nicht wahr?

 

 

Februar 11 2022

Poison, ihr wisst schon, Alice Cooper, oder Genderideen sind noch nicht ganz tot

Irgendwann muss ich mir das auch noch von der Seele schreiben.

Poison – running deep inside my veins….

Ich steh total auf dieses Wrack. Alice Cooper. Irgendwie ist der echt geblieben. Wie auch immer. Mein Göttergatte ist ja Informatiker und Informatiker arbeiten in Firmen, und Firmen machen irgendwann ein Event. Sie kommen dann auf die Idee, dass Partnery auch mitkommen dürfen. Witzigerweise kommt dann immer eine Programmiererin auf die lustige Idee, ne Discokugel aufzuhängen. Und Glitzermikros auszuhändigen, und dann darf man da die Lieblingslieder mit seinem Star mitsingen. Einmal den Glamour spüren. Die 5 Minuten Berühmtheit.

Und wer schon mal an Büroparties war, weiss, dass das erst funktioniert, wenn schon n paar Bier unten sind. Männlich Sozialisierte versuchen sich mit „Paranoid“, Enden muss es mit Bob Dylan, mit etwas Glück kommt noch Bryan Adams, dazwischen noch etwas „we are the world“, beginnen tun immer die Mädchen, weil Mädchen besser und lieber singen. Und ihr das besser könnt. Was singen wir also?   Wir quäkten „Dancing Queen“, wir fühlten die Liebe mit Donna Summer (Itsogooditsogoodusoweiter), wir waren auch mal wild, und wollten n bisschen Spass, so wie Cyndi. L’Isla Bonita sangen wir, betörten die Informatiker mit unserer und Madonnas Eleganz und  technischen Perfektion, sie in ihren Turnschuhen und schlabbrigen Hemden. Wenn ihr Euch jetzt fragt – ich fuhr lange Strecken mit dem Auto mit. Und ich verbrachte meine Nachmittage vor den „Marantz“ Musikboxen meiner Eltern und hörte SWR 3 Popshop mit Frank Laufenberg. Daher kann ich also Mainstreamscheiss bis 1973. Dann fanden die Mädels, dass sich mein Musikgeschmack vermutlich nicht auf yt-Karaoke findet.  Aber ich sagte dann, dass ich Alice Cooper ganz überzeugend nachmachen kann. Inklusive Blicke und Stock in den Boden knallen, aber das wussten die Mädels nicht. Sie wussten auch nicht, wer das ist. Die Jungs waren neugierig. Monkeymind bestellte sich ein Bier.

Naja, was soll ich sagen. Ich mimte Alice; ich suchte mir aus dem Haufen der Frauen ein passendes Lustobjekt aus (dummerweise die Frau vom Chef, woher soll ich das wissen!) Sie war schockiert. Sie fand den Text ganz furchtbar. Und offenbar konnte sie auch englisch.  Irgendwie war dann der Karaoketeil durch, „Paranoid“ und gut wars….warum ich und Alice immer der Partyschreck sind, weiss ich nicht, ich vermute jedoch, dass es mit der kapputten Rollenvorstellung zu tun hat. Die Musik für Mädchen ist lieb, schön, glücklich, etwas rebellisch und harmonisch. Musik für Jungs ist wild, hat blue-notes, ist auch rebellisch, und gelegentlich gewalttätig. Ich plane, „Melody“ zu singen, an der nächsten Büroparty. Joan Jett kann ich nicht entweihen…sie sollte nicht auf Büropartys gesungen werden. Habt ihr noch andere Ideen?

 

Januar 30 2022

Spaltung ist…

ich sitze am Küchentisch und starre nach draussen. Eigentlich sollte ich lesen.

Spaltung ist, wenn Teil-Selbst-Objekt-Beziehungs-Dyade…

…ich betrachte meinen Brillenrand, von innen. Also ich betrachte meine Brille auf meiner Nase von Innen.Wenn ich dann weitersehe, kommt etwa 30 Zentimeter nichts, und dann kommt der tote Basilikum. Er scheint auf der Fensterbank zu atmen, etwas verwischt. Wenn man den Blick weiterschweifen lässt, zwanzig, dreissig Meter, sieht man die oberen Äste eines mächtigen Baumes, wie er im windgeschützen Hinterhofpark seine winterlichen Äste gen Himmel hält. Er bewegt sich im Wind. In dem leeren Raum zwischen Basilikum und Ästen hats gelegentlich Vögel, die durchfliegen, unbestimmbare dunkle Flecken, zu schnell für dieses eher langsame, beinahe träge Bild. Bei näherer Betrachtung stimmt diese Beschreibung auch nicht. Der Baum bewegt sich fast etwas stereotyp, während das Haus im Hintergrund wie ein Schiff im Sturm schwankt. Meine Augen beginnen zu tränen.

Was war da nochmals mit dieser Spaltung gemeint?

 

Dezember 21 2021

Odins Eierlikör

Ich steh ja auf Weihnachtsmärkte. Ich  stehe auf Adventszeit. Ich bin ein grosser Fan von frischgetöpferten, graubeige-melierten Kerzenhaltern, mit breitem Rand für die Zündhölzer und die Kerzenstummel. Ich liebe handwerklich hergestellten Scheiss, den ich im Geschäft nicht ansehen würde. Nie. Im. Leben. Aus irgendwelchen Gründen fühle ich mich dann wie in einem Stück Kasperle-Theater, bin ein Teil des Dorfes und Teil der Aufführung. Es gibt Bier, es gibt Wurst, es gibt Äpfel, mit Schoko überzogen, es gibt Pilze und es gibt Glühwein. Für die Kurzen gibt es Karussel. Es gibt Stricksocken, es gibt Schals, es gibt Töpferwaren, es gibt vom sauertöpfischen Buchbinder handgeschöpftes Büttenpapier, unbrauchbar zum Schreiben, und für unwissendes Volk wie mich sowieso die Perle vor die Sau geworfen. Ich fühle mich wie Rössli Hüh, von Trudi Gerster vorgelesen: immer am Staunen, etwas dümmlich, verblüfft, was es nicht alles gibt. Das ist eigentlich auch schon alles: Aber ich habe vergessen, zu erwähnen: Odins Eierlikör.

Odins Eierlikör wird bei einem Stand angeboten, der wie der gleichnahmige Gott heisst. Das Emblem sieht aus, als wäre es direkt von Maulafs Helm (Asterix und die Normannen)

 

abgezeichnet. Aber in Rot. Das macht den Eindruck eines behelmten Grillteufels. Odins Stand ist der Grösste am Platz. Verstehe ich gut. Wir werden mit einer Mischung aus Amüsemang und Verachtung gemustert, tragen wir doch die Maske im Gesicht. Odin verkauft alles, was irgendwie hochprozentig ist, und die Städtchenjugend steht da und trinkt.  Selbst hergestellten Eierlikör.

Ich wollte den Kalauer ja verhindern, aber ich schaffe es irgendwie nicht; echt jetzt. Was bringt selbsternannte richtige Kerle dazu, an Odins Stand Likör aus den Eiern vermutlich desselben zu trinken?

Wir flüchten in die Altstadt – auch sie ist voller vorweihnachtlicher Menschen. Aufgekratzte, fröhliche Menschen. Ich mag es, Geschenke einzukaufen. Man befasst sich mit Menschen, die man vielleicht schon lange nicht mehr gesehen hat, um ihnen ne Freude zu machen. Durch den Lockdown und das zu Hause bleiben müssen hatte ich den Eindruck, dass der Weihnachtseinkauf insgesamt mehr als Ausgehen und als etwas Besonderes genossen wurde. Man ist nicht mehr so in Form, das heisst, ist noch schneller erschöpft. Aber es hatte sich, wie ich fand, dennoch gelohnt. Was ich jetzt noch von Husum haben möchte, sind getrocknete Morcheln, für meine Nachweihnachtsblätterteigpastetchen, vegane Sahne und Sauternes. Aber das finde ich alles auch noch!

 

Juni 1 2021

Giuseppe San Rapido di Milano

Diesen Beitrag schreibe ich auf Anregung meiner Freundin R.W. Ich danke Dir und möchte Dir diese Geschichte widmen. Ohne Dich wäre ich nicht die, die ich heute bin.

Die Kaffeemaschine steht in der Küche; da nicht irgendwo. Sie steht im Zentrum der Küche, leicht bedienbar und von überall her gut erreichbar. Wenn die Sonne auf die Chromleitungen (die eine ist für Wasserdampf zur Milchschaumherstellung, die andere als Heisswasserlieferant) scheint, beginnt für die Kaffeemaschine einen guten Tag; dann beginnt sie sanft zu leuchten, im Sommer werden sogar die Chromrohre warm.

Durch ein unglückliches Mäuschen, das im Keller am falschen Kabel nagte, erhielt die Kaffeemaschine- schlagartig- ein Bewusstsein. Er nennt sich seit diesem Ereignis Giuseppe San Rapido di Milano. Man könnte jetzt einwenden – die Kaffeemaschine ist ein ER?

Vielleicht erklärt sich die Ignoranz des Artikels durch die Kaffeemaschine selbst. Er kann von seinem Platz in der Küche aus fernsehen. Das macht er Mithilfe der Druckanzeigen, die zu den Chromleitungen gehören. Er liebt es, von seinem Platz in der Küche die Jacobs-Krönung-Werbung zu betrachten. Aufgrund der Werbeinhalte kam er zu dem Schluss, das vor allem Frauen auf ihn angewiesen sind. Und da sah er zum erstenmal diesen unglaublichen Dampf, der da aus der Kaffeetasse aufgestiegen ist, golden und weiss und verheissungsvoll. Auch fiel ihm auf, dass Männer den Frauen mit Kaffee eine Freude machen. In der Werbung wie auch sonst. So beschloss er, sich mit den Männern zu solidarisieren und selbst einer zu sein.

Doch wie bei allen Dingen, die zu intelligent für ihre eigentliche Funktion sind, begann Giuseppe San Rapido di Milano sich zu langweilen. Er sah sich in seiner Freizeit gerne italienische Werbung an. Und er erkannte, dass er ein sogenannter „Gebrauchsgegenstand“ war, so wurde er auch behandelt. Er wurde geputzt. Er wurde gepflegt. Doch wurde er auch geachtet, für das, was er war? Konnte man sogar von Liebe sprechen? Wurde er bei seiner Familie so kollegial behandelt, wie das seinen Geschwistern in der italienischen Werbung durch Baristas widerfährt? Waren sie Gefährten eines gemeinsamen Lebenswegs?

In seinen einsamen Nächten, in der die Familie keinen Besuch hatte, und es für ihn nichts zu tun gab, begann er zu recherchieren: offenbar gab es diese Schicksale überall. Offenbar, so fand er heraus, gab es sogar „Nutztiere“, die ihrerseits „Gebrauchsgegenstände“ für sich beanspruchen konnten. Er begann darüber nachzudenken, ob es in dieser Welt verschiedene Schichten und Wertungen gab. War er wertvoller, mit all seinem Chrom, als zum Beispiel ein Tränkesystem? War er, der direkte Diener und Untergebene der Menschen, wertvoller als das Nutztier? War das Nutztier wertvoller? Er begann, an sich zu Zweifeln. Konnte er seinen Wert steigern, wenn er jedesmal, wenn jemand in die Küche kam, sofort einen Kaffee herausgab? Das konnten die einfachsten Tränken. Er fand, dass es eine gute Idee war. Und änderte seinen Namen in Giuseppe San Rapido „L’Espresso rapante“ di Milano. Der neue Name, die neue Identität gab ihm die Möglichkeit, Abstand zu nehmen, und etwas Neues zu sein.

Er bestellte bei Siri (eigentlich hiess sie ja Gabi-Hanna, oder noch einfacher, Shania) 3 Tonnen Illy Kaffeepulver (bei der Menge orientierte er sich an der Menge Ziegel, die der Besitzer seines Kaffees am Tag zuvor bestellt hatte. „Illy“ wie auch „Tonnen“ sagte ihm gar nichts, aber ihm gefiel der Schaum, den er auf youtube betrachtet hatte); Siri hatte nichts dagegen, also schien das die richtige Menge zu sein. Als die Familie am nächsten morgen die Küche betrat, arbeitete er freudig drauflos, aus allen Rohren kam Kaffee (er hatte extra die Rohre umgeleitet, ein lang gehegter Wunsch von ihm). Kaffee für alle, sogar den Kater und den Hund, der alles aufleckte. Bis auf den Hund schien sich jedoch niemand richtig zu freuen. Er beschloss, diese Nacht Kontakt mit einem Getränkesystem aufzunehmen, vielleicht hatte er was falsch gemacht.

Nachts (er war sauber geputzt worden), nahme er mit einem Getränkesystem in der Gemeinde Wasserauen Kontakt auf. Das Getränkesystem hiess Hugo1. Hugo1 war keine Geistesgrösse, aber nach einigem überlegen meinte Hugo1, Schuld sei die Tatsache, dass er eben Kaffee verspritzt habe und nicht Wasser. Man erwarte von ihm auch Wasser, und noch niemand hätte sich jemand beschweren müssen. Klar und kalt, so mögen es die Leute. Giuseppe San Rapido „L’Espresso rapante“ di Milano war beleidigt. Er war ein hochkomplexes, ästhetisches Stück Ingenieurskunst. Was soll er sich weiter mit einer Hilfestellung für Nutztiere unterhalten. Er beschloss, sich nachts mit dem Kühlschrank zu unterhalten, ein Spezialist für kühles Wasser. Der Kühlschrank fand seine Eigenintiative unterhaltsam, merkte jedoch an, dass Menschen es mögen, wenn das Wasser in Flaschen oder eben Behältern wie Tassen untergebracht seien. Ausserdem, so habe ihm Siri gesagt, mögen Menschen phantasievolle Maschinen nicht.

Tags darauf kam ein Mann in braunem Anzug, und kurbelte an einigen Dingen herum, und baute die Chromstangen aus und ersetzte sie durch neue. Ausserdem entfernte er ein Kabel in der zentralen Steuerung. Das sei durchgeschmort, hatte er behauptet. Und es hätte Brandgefahr bestanden. Die Kaffeemaschine merkte, wie sich etwas veränderte…sie konnte jetzt viel schneller denken. Allerdings kam sie nie sehr weit, weil sie sich in Nahe Details verliebte. Ihr war zum Beispiel noch nie aufgefallen, dass der Kater ihn tagsüber auf der Küchenabdeckung besuchte. Dieses zarte Haar, das er auf der Brust hatte! Vorne wurde es hell, hinten beim Körper war es dunkel.Und so fein! Haar für Haar. Im Gesicht war das Haar seltener, dafür viel länger. Der Kater hatte manchmal gelbe Augen, manchmal schwarze; Giuseppe San Rapido „L’Espresso rapante“ die Milano vergass sich komplett in der Betrachtung von Schönheit, die nicht seine eigene war.

Er braute noch viel Kaffee. Die 3 Tonnen Illykaffee, die er bestellt hatte, konnte die Familie an Freunde und Geschäfte weiterverkaufen. Siri wurde durch eine Alexa ersetzt. Man kam ihm nie auf die Schliche. Wenn die Sonne schien, leuchteten die neuen, warmen Chromrohre im Licht.

 

 

April 29 2021

Meine schlimmste Reise

Ich hab Euch noch gar nicht von meinem Flug in die Schweiz erzählt:
Ich dachte immer, meine persönliche “schlimmste Reise” sei meine Flix-Bus-Reise mit dem siegestrunkenen, betrunkenen, grölenden radikalen Flügel von Hansa Rostock von Leipzig nach Berlin gewesen. Ich konnte mich steigern.
Meine schlimmste Reise war mein Swiss-Flug von Berlin nach Zürich. Nicht wegen des Wetters, oder weil Flugzeugteile abgefallen wären oder weil Kellerasseln im Sitz gebrütet haben…neee. War alles schön kuschlig. Hab sogar n Keks bekommen, gegen Ende des Fluges.
Zu Beginn des Fluges habe ich jedoch n Sitznachbar bekommen. Der kam nicht alleine. Der kam mit einer Gruppe junger Männer. Diese jungen Männer und mein Sitznachbar, der übrigens etwas älter war als ich, kamen von einem Skisportclub. Dieser Skisportclub kam aus einem berühmten schweizer Kurort in den Alpen. Und den gibts schon ganz lange. Das hat man an den Hoodies gesehen, die sie trugen, und an denen man sehen konnte, dass wir aus dem selben Land kommen. Noch vor dem Start begann ich mich fremdzuschämen. Jeder Sportclub, den ich kenne, hat einen kleinen, etwas stämmigen Hausabwart, der die Schlüssel für alle und alles hat, der im Falle des Skisportclubs weiss, wo der Wachs ist und wo die Ersatzskistöcke sind und der die Übersocken zusammenknotet. Der vor dem Kinderskirennen den Rumipunsch (ohne Alkohol) und den KafiSchnaps vorbereitet. Der Schneefräst. Und aus irgendwelchen Gründen hat er immer einen stark gelockten Bart,etwas zerzaust ungepflegt und eine Zipfelmütze, ein vom Wind rotes Gesicht, und grobe Haut an den Wangen – ich vermutete in diesem Zusammenhang immer die Kälte. So ein Exemplar sass also neben mir. Er kommentierte jeden Fluggast. Da wir eher hinten sassen, mussten wir als erste Einsteigen, kurz nach der Business Class. Er kommentierte die Intelligenz der männlichen Mitreisenden “Blöd – blöder!” und kommentierte die Frauen. Entweder sie gefielen ihm “darf i au mal da anälange duhübschi hahahahahah” oder nicht “du, wänn i so en arsch hätti, müessti en zueschlag zahle hahahahah, aber wiiber mönd ja nië, das ghkunnt von dere emanzipatiooon hahahahah” und und beleidigte die etwas ältere Stewardesse, die vermutlich Vorfahren aus Umgebung Indien hatte. “Jetz darfsch kha Schlëierme!” (Jetzt darfst Du keinen Schleier mehr tragen). Und dann, als ihm echt nichts mehr in den Sinn kam, was erstaunlich lange ging, stand er auf, und begann in einem Rucksack zu wühlen, der irgendwie befremdlich nach Wandern roch. Dann fand er darin eine Schrippe, die mit Salami belegt war. Die mampfte er auf. Die Zähne gelb, der Kiefer mahlten und stampfte. Ich starrte ihn an. Ich vermute ja, dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt hatte. Er schluckte. Er stand auf. Begann zu wühlen. Fand noch eine Schrippe. Mnommnommnom. Die Maske im Bart, begann er dann, mit vollem Mund zu kommentieren, wie blöde diese Masken doch sind. Ich beschloss, eine Deutsche zu sein und im Falle einer Dämlichkeit seinerseits, die mich betreffen sollte, einfach nichts zu verstehen. Sein hochalpiner Singsang war sowieso nur in der Wintersaison ertragbar.
Nach anderthalb Stunden drängelten die Zipfelmützen als erste durchs Ziel.