Das geht mich ja alles gar nichts an….
Hört frau in letzter Zeit öfters. Was denn? Queere Menschen gehen mich nichts an, höre ich immer wieder. Und das, meine lieben Mitmenschen, stimmt so nicht. Wie soll ich anfangen? Ich höre das oben gesagte immer wieder von meinen sozial engagierten Mitarbeiter*innen. Unsere von uns betreuten Geflüchteten sind männlichen Geschlechts, grösstenteils – das liegt aber eher daran, dass Mädchen in vielen Kulturen nicht so wahnsinnig viel wert sind und das Mädchen meistens schlechter oder gar nicht schwimmen können, und damit schon gar nicht erst in Europa ankommen. Wir haben sehr viele Jungs aus dem (geografisch) asiatischen Raum.
Ich schreibe hier von einem Jungen, der wie viele andere auch ankam, der sich orientierte, auch bei Gleichaltrigen, welche die selbe Sprache sprechen. Sie durchlaufen alle das selbe Procedere durch die deutsche Bürokratie. Die Jungs wirken etwas deplaziert, viele „Prinzen“ und möglicherweise „Stammhalter“ aus ihren Heimatländern, nette, begabte und kluge Söhne mit gelegentlichen Mackermomenten, geschickt von liebevollen, stolzen und besorgten Eltern. Und, was viele der Jungs auch sind: sie sind nicht heterosexuell. Überlegt Euch mal den Stress: einerseits glücklich die Taliban oder Boko Haram oder IS oder weiss der Geier was überlebt. Dann kommt man in einer äußerst freizügigen Gesellschaft an. Das ist super interessant. Und dann hat es da Jungs, nette Jungs, und es funkt. Doch wirklich kennen tut man ja nur die eigene Gesellschaft. Die eigene Gesellschaft verurteilt queere Lebensweisen. Und damit ist man selbst verurteilt. Dabei möchte man doch nur leben und glücklich sein.
Aber, verdammt noch eins: die Pubertät ist doch genau dazu da. Um Dinge auszuprobieren. Sich selbst entdecken. Sexualität ist ja nicht nur verdammenswert oder entdeckenswert, je nachdem, es ist vor allem auch ein wichtiger Teil der Identität.
Jetzt komme ich wieder zu dem Jungen zurück. Er hat es zugegeben. Er hatte sein Coming-out. Er hat einen Freund (von ausserhalb des Wohnheims, den er uns auch vorgestellt hat) und er lebt den Jungs eine wohl sehr glückliche homosexuelle Paarbeziehung vor. Etwa eine Woche lang hat es gekracht im Gebälk des Wohnheims, es gab (auch konstruktive) Diskussionen über das für und wider von nicht heterosexuellen Paarbeziehungen, intensive, lange Gänge in die Moschee und lange Gespräche mit dem Imam, aber auch lange Gespräche mit mir. Ich bin richtig stolz auf den Jungen, denn er hat eine wichtige Vorreiterrolle (die Ritzerei hat endlich aufgehört, zumindestens bei den Geflüchteten). Der Blitz hat nicht eingeschlagen, und dieser Junge ist auch nicht abartig oder irgendwie anders geworden. Er ist noch immer der selbe, nur gelöster und glücklicher. Nach all den Gesprächen, mit den Jungs alleine oder als Gruppe, sind sie zu der Einsicht gelangt, dass es wichtiger ist, dass sie als Gruppe zusammengehören – als junge Geflüchtete, als Muslime (Allah wird sich schon was dazu gedacht haben), aber vor allem als Gruppe, die nun versucht, sich zu integrieren. Kein Stress mit der Sexualität, und wenn sie für die Kartoffeln wieder mal eine richtig scharfe Sauce wollen, bestellen sie bei Klinge Hardcoresauce. Ist ja nicht alles schlecht aus dem Herkunftsland 🙂
Es ist unsere Aufgabe, die queeren Menschen aus Gottesstaaten zu unterstützen, und Ihnen den wirklich guten Ansatz, der in den westlichen Demokratien gesetzlich vorgeschrieben ist, vorzuleben. Dann kann Integration auch gelingen. Von wegen, das geht mich ja alles gar nichts an….