Oktober 15 2023

Immer, wenn die taz nicht weiterweiss oder die instrumentalisierte Psychoanalyse

Ja, immer wenn die taz nicht weiterweiss, dann muss wieder jemand ins Bilderarchiv, und ein deutsches Konzentrationlager muss veröffentlicht werden. Es werden wieder die Leiden der abgeschlachteten Massen gezeigt, und wie unschlagbar furchtbar die Shoah war. Dabei wird vieldeutig nach Israel gedeutet, und diese letzte Barbarei der Terrororganisation Hamas. Es geht um den polemischen Satz: „Der Tod ist ein Meister aus Gaza“.

Natürlich wird auch festgehalten, dass Deutschland, quasi als Lehre, fest zu Israel und seinem tun steht. Und natürlich, damit Leser* auch von der Wissenschaftlichkeit und der Objektivität von der taz überzeugt ist, wird dann auch noch die Psychoanalyse an den Haaren herbeigezogen.

Abspalten und Projektion, wird hier genannt. Nun, sehen wir uns das genauer an. Das gehört zu den unreifen Abwehrmechanismen. Das bedeutet, dass man eigene Gefühle oder Motive einer anderen Person zuschreibt.

Eine Abwehr gibt es nur, wenn ein sogenannter Intrapsychischer, oft unbewusster Konflikt besteht. Ich denke, dieser Konflikt könnte in etwa so aussehen (das ist ein rein hypotetischer Konflikt):

Israel, das sind die Juden. Sie dürfen alles, weil sie die Shoah überlebten, sie haben bereits für alles im Voraus bezahlt. Sie können gar nichts Böses tun, denn sie haben die Shoah erlitten und überlebt. Mein Opa war ein richtiges Schwein, und die Oma, diese Nazibratze, lebt immer noch! Und das da, das sind die Kinder und Enkel von denen. Israel, das sind die Guten. Wir waren die Bösen, und wenn wir jetzt was sagen, dann sind wir wieder die Bösen. Andererseits sieht man, als normal denkender und fühlender Mensch, das da etwas echt nicht gut läuft. Ja, man möchte eigentlich sagen, dass das gar nicht geht. Aber das darf ich als Deutscher gar nicht, meine Schuld ist zu gross. Ich wäre dann so rechts wie die damals!

Der Theorie Freuds zufolge müssen diese unbewussten Konflikte aufgedeckt und bearbeitet werden, so dass ein reifere Abwehrform daraus entstehen kann.

Zurück zu der unreifen Abwehr, der Projektion: In diesem Fall spaltet man vermutlich die eigene Schuld am Tod von 6 Millionen Menschen ab und projeziert sie auf die Palästinenser. Was das mit den eigenen Gefühlen oder Motivationen zu tun hat, lässt die taz offen. Wenn wir also schon dabei sind, können wir alles durchexerzieren, einfach weil es so schön ist, damit Freud in Ruhe weiterruhen kann.

Verleugnung ist auch so ein unreifer Abwehrmechanismus. Es ist die Weigerung, die schmerzhafte Realität zur Kenntnis zu nehmen. Zum Beispiel, dass Israel aktuell eine sehr rechte Führung hat, welche die Palästinenser unterdrückt und einen Pfifferling auf GG eins hält: hier zur Vereinfachung noch eingefügt:

(1) 1Die Würde des Menschen ist unantastbar. 2Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt

Man verleugnet die Tatsache, dass Israel wie Nazideutschland (und all diese anderen EU-Aussengrenze-ratifizierenden Staaten) auch, sich nämlich einen Scheiss um die Würde eines jeden Menschen kümmert. Das machen viele Staaten, aber wenn Israel das tut, dann schmerzt das, und in Deutschland wird es einfach verleugnet. Wer es trotzdem sieht und das auch sagt, der wird dann Opfer von der Verschiebung.

Verschiebung ist die unangemessene Übertragung von Gefühlen von einer Person auf die Andere. Wenn ich also sage, dass das, was Israel schon sehr lange tut, eine menschenverachtende Schweinerei ist, dann werde ich garantiert in kürzester Zeit als Antisemit diffamiert. Was ich nicht bin. Und ich zweifle angeblich das Existenzrecht von Israel an. Was ich nicht mache. Aber in der Verschiebung kann man die eigene Wut (bei Freud auch gerne mal „unakzeptable Gefühle“), die man bei sich selbst nicht zulassen kann, weil man Deutscher ist und damit eine Riesenschuld aufgeladen hat, auf jemand Anderen übertragen.

Vermeidung, auch so ein unreifer Abwehrmechanismus. Vermeidung bedeutet, dass man einer Herausforderung aus dem Weg geht. Zum Beispiel dass man als Journalist sagt: „Hey, das geht gar nicht, was die da machen!“ Oder als deutscher Politiker: „Zivilisten und die Infrastruktur werden einfach nicht bombardiert! Wenn das so weitergeht, bekommst Du keine Waffen mehr!!“.

Liebe taz, bitte lasst doch Freud in Ruhe. Freud war Neurologe und damit Mediziner und Psychoanalytiker. Oder seid konsequent. Wenn ihr wen zum Therapeuten schickt, dann rechnet damit, dass es erst eine Diagnostik gibt. Diagnostik macht man nicht mehr nach Freud, soweit es die Psyche betrifft. Ich nehme hier die 7 Kriterien nach Butcher (2008). Butcher beschränkte sich jedoch auf Menschen, möchte ich hinzufügen. Schicken wir Israel zum Therapeuten, machen wir zuvor eine schöne Diagnostik:

  1. Leidensdruck oder Behinderung: Die zu betrachtende Person, empfindet persönlichen Leidensdruck oder funktionale Einschränkungen in psychischer Hinsicht, die eine Verschlechterung des physischen Zustandes hervorruft. Für Israel ist ein Krieg sicher eine Leid oder eine Behinderung, für die Bewohner ebenfalls, ob nun Hamasmitglied oder nicht.
  2. Fehlanpassungen: Die zu betrachtende Person verhält sich so, dass sie das Erreichen eigener Ziele verhindert, sich nicht um das eigene Wohlbefinden kümmert, oder andere vom Erreichen ihrer Ziele abhält oder den Bedürfnissen der Gesellschaft nicht gerecht wird. Da kann man sicher auch „das normale Alltagsleben“ von der Bevölkerung Israels zuzählen. Ein Krieg ist keine Lösung. Gewisse Wirtschaftszweige werden am Stock gehen, zum Beispiel der Tourismus.
  3. Irrationalität: Eine Person redet oder verhält sich derart, dass es anderen irrsinnig oder unverständlich erscheint. Die Unterdrückung der Palästinenser halte ich für irrational.
  4. Unberechenbarkeit: Eine Person verhält sich sprunghaft und unberechenbar, wechselhaft von Situation zu Situation, als hätte sie keine Kontrolle über ihr Verhalten. Nun, ich gebe zu, ich war schockiert über den Überfall der Hamas. Was ich auch schockierend fand, war, dass ich einen Tag später statt Werbung Kriegspropaganda der Israelis erhielt. In den Pausen meines online-Spiels. Sie warben mit Bildern von 9/11, Al-Quaida-Anschlag. Diese Leichenfleddererei war sehr unerwartet.
  5. Aussergewöhnlichkeit und statistische Seltenheit. Eine Person zeigt Verhaltensweisen, die statistisch selten vorkommen und die sozialen Standards dessen, was normal ist, verletzen. In die Luft schiessen ist auch für Palästinenser normal und schön laut, Menschen zu töten wird üblicherweise nicht gutgeheissen.
  6. Unbehagen bei Beobachtern: Ja, da sind wir wieder bei den Schweinereien. Man sieht lieber nicht so genau hin, weil man Angst oder Unbehagen vor dem hat, was man möglicherweise sehen würde.
  7. Verletzung moralischer und gesellschaftlicher Normen. Blutvergiessen wird im Buch Bereschit, dem 1. Buch Mose erwähnt: G´tt verurteilt Kain, nachdem der Abel tötete und teilt ihm mit: „die Stimme des Blutes Deines Bruders schreit zu mir von der Erde (4,10)“. Das 6. Gebot Mose ist auch im Judentum, dass man nicht töten soll. Rabbi Hillel hält es mit „liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“, und das wiederum fasst die Thora zusammen. Ich gehe davon aus, dass Juden der ganzen Welt nicht einverstanden sind mit diesem riesigen, ungerechten Blutvergiessen, dass in Israel gerade passiert. Verursacht durch die Hamas, aber auch durch die Seite Israels. Da sich Israel als jüdischer Staat versteht, nehem ich hier die Thora als Norm.

So, ich hoffe, taz, dass Du Dir ne andere Wissenschaft suchst, um Deinen (verzeih meine Offenheit) teilweise eher minderwertigen Journalismus aufzupolieren. Du kannst stattdessen versuchen, mit liberalen, mit unreligiösen, mit orthodoxen oder mit konservativen deutschen Juden zu sprechen. Mit palästinensischen oder jüdischen Israelis. Mit Zionisten. Mit Noam Chomsky. Wenn die Reise nach Israel zu teuer oder zu gefährlich ist, findest Du die alle auch in Deutschland, Europa oder Amerika. Du kannst vermutlich Zoom-Sitzungen machen. Versuch mal, die deutschen Leser aufzuklären, dass Juden nicht automatisch Pro-Israel sein müssen. Das Juden, Israel und Zionismus drei verschiedene Dinge sind, die nicht unbedingt eine Schnittmenge haben müssen. Dass Juden, die gegen dieses Blutvergiessen sind, nicht automatisch Feinde Israels sind. Das ist Propaganda eines sehr rechten Staates.

Das wäre mal eine Aufgabe für Euch.


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Veröffentlicht15/10/2023 von klinge in Kategorie "Uncategorized

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