Odins Eierlikör
Ich steh ja auf Weihnachtsmärkte. Ich stehe auf Adventszeit. Ich bin ein grosser Fan von frischgetöpferten, graubeige-melierten Kerzenhaltern, mit breitem Rand für die Zündhölzer und die Kerzenstummel. Ich liebe handwerklich hergestellten Scheiss, den ich im Geschäft nicht ansehen würde. Nie. Im. Leben. Aus irgendwelchen Gründen fühle ich mich dann wie in einem Stück Kasperle-Theater, bin ein Teil des Dorfes und Teil der Aufführung. Es gibt Bier, es gibt Wurst, es gibt Äpfel, mit Schoko überzogen, es gibt Pilze und es gibt Glühwein. Für die Kurzen gibt es Karussel. Es gibt Stricksocken, es gibt Schals, es gibt Töpferwaren, es gibt vom sauertöpfischen Buchbinder handgeschöpftes Büttenpapier, unbrauchbar zum Schreiben, und für unwissendes Volk wie mich sowieso die Perle vor die Sau geworfen. Ich fühle mich wie Rössli Hüh, von Trudi Gerster vorgelesen: immer am Staunen, etwas dümmlich, verblüfft, was es nicht alles gibt. Das ist eigentlich auch schon alles: Aber ich habe vergessen, zu erwähnen: Odins Eierlikör.
Odins Eierlikör wird bei einem Stand angeboten, der wie der gleichnahmige Gott heisst. Das Emblem sieht aus, als wäre es direkt von Maulafs Helm (Asterix und die Normannen)
abgezeichnet. Aber in Rot. Das macht den Eindruck eines behelmten Grillteufels. Odins Stand ist der Grösste am Platz. Verstehe ich gut. Wir werden mit einer Mischung aus Amüsemang und Verachtung gemustert, tragen wir doch die Maske im Gesicht. Odin verkauft alles, was irgendwie hochprozentig ist, und die Städtchenjugend steht da und trinkt. Selbst hergestellten Eierlikör.
Ich wollte den Kalauer ja verhindern, aber ich schaffe es irgendwie nicht; echt jetzt. Was bringt selbsternannte richtige Kerle dazu, an Odins Stand Likör aus den Eiern vermutlich desselben zu trinken?
Wir flüchten in die Altstadt – auch sie ist voller vorweihnachtlicher Menschen. Aufgekratzte, fröhliche Menschen. Ich mag es, Geschenke einzukaufen. Man befasst sich mit Menschen, die man vielleicht schon lange nicht mehr gesehen hat, um ihnen ne Freude zu machen. Durch den Lockdown und das zu Hause bleiben müssen hatte ich den Eindruck, dass der Weihnachtseinkauf insgesamt mehr als Ausgehen und als etwas Besonderes genossen wurde. Man ist nicht mehr so in Form, das heisst, ist noch schneller erschöpft. Aber es hatte sich, wie ich fand, dennoch gelohnt. Was ich jetzt noch von Husum haben möchte, sind getrocknete Morcheln, für meine Nachweihnachtsblätterteigpastetchen, vegane Sahne und Sauternes. Aber das finde ich alles auch noch!
Ich habe für eine kleine private Nach-Weihnachtsfeier auch dieses gelbe Gesöff besorgt, und dann auch noch vom großen Hersteller am Rhein.
Aber nur ein halber Liter für 4 Personen und – das muss sein – Trinkbecherchen aus Schokolade, Zartbitter. Die darf man (frau) auch aufessen, ich habe genug Vorräte.
Wird sind alle doppelt geimpft und geboostert, allerdings sind die Masken runter beim trinken.
Wird bestimmt lustig – und besaufen ist mit ’nem halber Liter auch nicht drin (für alle zusammen gerechnet).
cu
<3